Zur Vorgeschichte des Grubenrettungswesens


Das Grubenrettungswesen umfaßt alle Maßnahmen und Einrichtungen zur Rettung von Menschen und zur Erhaltung von Sachwerten nach Explosionen, bei Grubenbränden und anderen Ereignissen im Bergbau unter Tage, bei denen giftige Gase und matte Wetter auftreten. Die Grubenbaue können nach Explosionen, großen Bränden oder Gasausbrüchen infolge der zwangsläufigen Wetterführung auf weite Erstreckung hin von giftigen Gasen, Rauch oder sauerstoffarmen Wettern durchzogen sein, die auf diese Weise einen großen Personenkreis gefährden. Bei schweren Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosionen kommt der größere Teil der Verunglückten nicht durch Verbrennungen oder mechanischen Verletzungen, sondern durch das Einatmen kohlenoxydhaltiger Nachschwaden und Brandgase zu Tode. Das Arbeiten in giftigen oder sauerstoffarmen Wettern ist nur möglich mit Hilfe von Gasschutzgeräten. Die Erfinder der ersten bergbaulichen Gasschutzgeräte hatten vornehmlich das Ziel vor Augen, Hilfsmittel zur Rettung verunglückter Bergleute zu schaffen oder ihnen solche zur Selbstrettung zu geben. Aus dieser Entwicklung heraus erklärt es sich, daß dieses Arbeitsgebiet im Bergbau als Grubenrettungswesen bezeichnet wird. Schon auf dem 1. Internationalen Kongreß für Rettungswesen in Frankfurt a.M im Jahre 1908 kam zur Sprache, daß die Rettungsmannschaften im Bergbau außer zur Rettung von Menschenleben berufen sind, dem Bergbau durch Bekämpfung von Grubenbränden und andere Maßnahmen Sachwerte von oft großem Wert zu erhalten. Direktor Dr. G.A.Meyer, ein Pionier des Grubenrettungswesens schlug damals vor, für die im Bergbau vorhandenen Rettungsmannschaften den Namen " Grubenwehr" zu benutzen. Von Anfang an waren die freiwilligen Grubenwehren die Grundlage des Grubenrettungswesens. Das Bestreben dieser Männer, ihren verunglückten Kameraden zu helfen, ist bis auf den heutigen Tag die geistige Grundlage des Grubenrettungswesens geblieben. Ihrem Einsatz war jedoch erst in größerem Umfang Erfolg beschieden, als mit der Entwicklung der Technik geeignete Gasschutzgeräte aufkamen. Die für ein im Bergbau allgemein brauchbares Gasschutzgerät erforderliche Unabhängigkeit von äußerer Luftzufuhr ist nur mit Kreislaufgeräten zu erzielen. Den ersten Vorschlag dazu machte 1853 der deutsche Physiologe Professor Schwann. Die technischen Schwierigkeiten der Ausführung einzelner Geräteteile wie Ventiel, Druckmesser und Druckminderer, ferner der Gesichtsanschluß und die Beschaffung von Sauerstoff wurden erst  später bewältigt. Erst nach 1880 war es möglich, Sauerstoffflaschen für höheren Druck ( 125 at ) zu fertigen und damit eine ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen und kurz vor der Jahrhundertwende gelang durch ein bahnbrechendes Verfahren von Linde, Sauerstoff industriell billig zu gewinnen und damit Press-Sauerstoff in Stahlflaschen zu füllen. Erst 1895 gelang dem ostrauer Bergwerksdirektor Ritter von Walcher-Uysdal gemeinsam mit dem Mediziner Professor Gärtner und dem Ingenieur Benda bei der Entwicklung eines Selbstretters die Schaffung des " Pneumatophor " Das Gerät bestand aus einem Atemschlauch mit Mundstück und einem Atembeutel der eine 0,6 Liter-Sauerstoffflasche und Natronlauge enthielt. Der Generaldirektor der Hibernia, Bergrat Behrens, führte das Gerät 1896 auf der Zeche Shamrock ein. Der Direktor dieser Zeche, Dr. G.A.Meyer, hat sich dann in besonderem Maße der Erprobung und Weiterentwicklung  dieses Typs zu einem brauchbaren Arbeitsgerät gewidmet und zahlreiche Versuche  durchgeführt. Er hat nach der Aufstellung der " Ersten Deutschen  Grubenwehr " im Jahre 1897 die Organisation unermüdlich weitergetrieben. Neben ihm hat sich der Mitbegründer des Drägerwerkes, Bernhard Dräger, der 1903 eigene Geräte mit einer Alkalipatrone herausbrachte, um die Entwicklung der Gasschutzgeräte verdient gemacht. Nach Aufkommen der Kreislaufgeräte führte die Bergschule Bochum im Jahre 1900 den Unterricht über Rettungsgeräte ein und führte im Jahre 1904/06 Ausbildungslehrgänge für Führer und Gerätewarte durch. Der Stand des Grubenrettungswesens im Ruhrgebiet in den Jahren nach der Jahrhundertwende wird am besten durch folgende Angaben gekennzeichnet: 120 Betriebe waren mit 421 Kreislaufgeräten ausgerüstet, vorwiegend Shamrock- Dräger- und Westfalia- Geräte. 16 Betriebe hatten die Beschaffung von Geräten vorgesehen, lediglich 18 Betriebe hatten ausgebildete Rettungsmannschaften und 44 hatten keine Einrichtung. Die Zahl der Geräte war 1913 auf 872 Kreislaufgeräte, 257 Schlauchgeräte und 339 Wiederbelebungsgeräte gestiegen. Eine behördliche Erhebung ergab für die Jahre 1903 bis 1914 für den preußischen Bergbau 27 tödliche Unfälle im Gerät, davon 7 im Ruhrgebiet. Unter Einsatz von Gasschutzgeräten wurden in dieser Zeit 76 Bergleute gerettet. Die Bergwerksgesellschaft Hibernia hatte ein zentrales Rettungslager eingerichtet und einen Rettungswagen angeschafft, sie ließen auch die Gruben durch einen Obergerätewart überprüfen. Die Gelsenkirchener Bergwerks- Aktien- Gesellschaft stellt 1906, die Zeche Rheinpreußen 1908 eine Berufsfeuerwehr und eine Berufsgrubenwehr auf. Beratungen im Rahmen der Knappschaftsberufsgenossenschaft im Jahre 1905 gaben den ersten Anstoß und 1906 Anlaß zu der Empfehlung das Rettungswesen in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung durch Einrichtung von Zentralstellen zu verbessern. Das war keineswegs eine Verkennung der Tatsache, daß die getrennt wirkenden Grubenwehren bis dahin viel geleistet haben. Für die breite Öffentlichkeit trat das besonders durch den Einsatz deutscher Grubenwehrmänner der Zeche Shamrock und der Berufswehr Rheinelbe beim schweren Grubenunglück von Courries im Jahre 1906 in Erscheinung. Der Kaiser ließ sich die Führer und Mannschaften vorstellen und überreichte ihnen Auszeichnungen.Die französische Regierung verlieh gleichfalls Auszeichnungen. Dieses Unglück gab dem Grubenrettungswesen in allen Ländern einen starken Auftrieb. Im Ausland setzte die Entwicklung eines eigenen Gerätebaus ein. Es verstärkte sich auch der internationale Erfahrungsaustausch  im Zeichen der kameradschaftlichen Verbundenheit der Bergleute über die Landesgrenzen hinweg. Während die vor dem ersten Weltkrieg für den Bergbau hergestellten deutschen Sauerstoff-Kreislaufgeräte sämtlich einen Injektor hatten, um die damals noch gebräuchliche Helmatmung zu ermöglichen, wurden die kurz vor und während des Krieges gebrauchten Kleingeräte als Lungenkraftgeräte ausgeführt, bei denen der Luftumlauf durch die Atmung des Geräteträgers in Gang gehalten wird. Nach dem Krieg kam man von dem Injektor ab, weil er bei der Herabsetzung des Widerstandes der Geräte überflüssig wurde. Es wurden Lungenkraftgeräte mit fester Sauerstoffdosierung, das heißt, gleichmäßiger Sauerstoffzufuhr gebaut. Ein weitverbreitetes Gerät dieser Ausführung war das Dräger-Bergbaugerät 1924.
Der Verein für bergbauliche Interessen hatte eine Anweisung zur Errichtung von Grubenwehren herausgegeben.Es erschien jedoch erforderlich, eine zentrale- Leitstelle für die Steinkohlenbergwerke zu schaffen. Im geschäftsführenden Ausschuß des Zechenverbandes schlug Generaldirektor Jacob von der Gewerkschaft Deutscher Kaiser am 31. März 1909 die Bildung einer Rettungstruppe vo
r, die vom Bergbauverein unterhalten werden und allen Zechen zur Verfügung stehen sollte. Am 4. Oktober 1909 tagte die vom Bergbauverein eingesetzte "Kommission zur Regelung des Rettungswesens" unter Vorsitz von Bergrat Lüthgen, dem Generaldirektorder Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. Teilnehmer waren die Bergwerksdirektoren Bergrat Johow, Dr. Hold, Dr. Pattberg, und Dr. G.A. Meyer sowie Bergassessor Dr. Forstmann, der die Leitung des Grubenrettungswesens für den Ruhrbergbau übernehmen sollte. Am 1. Juni 1910 erließ das Oberbergamt in Dortmund eine Bergpolizeiverordnung die die Bereithaltung von Atmungsapparaten auf jeder Schachtanlage forderte. Sie erforderte eine ausreichende Ausbildung der Mannschaften sowie sachkundige Gerätewarte. Wiederholt waren tödliche Unfälle vorgekommen, die auf schlechte Ausbildung oder Mängel an Geräten zurückzuführen waren. Am 30. Juli 1910 wurde den Zechen die Gründung der Hauptstelle in Essen mitgeteilt. Der Arbeitsbereich umfaßte den niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk. Als eine sehr wichtige Aufgabe wurde erkannt, den Angehörigen der Grubenwehren eine gründliche Kenntnis der Grenzen der Leistungsfähigkeit der Geräte zu vermitteln und es den Führern nahezulegen, ihre Männer nicht übermäßig zu beanspruchen. Auf die körperliche und seelische Verfassung des Geräteträgers war ebenso zu achten wie auf die Gründlichkeit der Organisation und die Zweckmäßigkeit des Einsatzes um angesichts der damaligen technischen Unvollkommenheit der Geräte zu vermeiden. Vielfach führte Luftmangel im Gerät, bei größeren und länger dauernden Anstrengungen zu Unfällen. Leider fehlten oft diese Kenntnisse so da
ß Geräteträger aus Furcht zu ersticken, die Geräte abrissen und dann das giftige Kohlenoxyd einatmeten. In vielen Rettungsstellen war daher der Spruch lesen:                                                                                                                                                                                                                                                                                  Stehe still und sammle dich